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Aktuelle Infos / Aus der Presse
Aktuelle Infos / Aus der Presse | Mendler, Michael | 12.11.2024
Ein kleiner Zeitsprung durch die Geschichte
Im Herbst 1824 brachte der Bauer Christian Friedrich Schäfer aus Unterderdingen [1824 waren Unterderdingen und Oberderdingen noch nicht vollends zusammengewachsen] „Merkwirdigkeiten so sich von Jahr zu Jahr zugetragen“ zu Papier. Er hielt seine Beobachtungen u.a. zu den Themen Wetter, Ernte und Lebensmittelpreisen in einer Chronik fest. Dass er alles andere als einen goldenen Oktober erlebte, lässt sich seiner Handschrift entschlüsseln:
[1824]
„Der Herbst kam wieder weit hinaus, es wurde zu lesen [Weinlese] angefangen den 28. Oktober [1824] am Tage Simonis und Judä. Nachts um 7 Uhr fing es an zu regnen und regnete ohne aufhören 34 Stunden, daß in einer Bütte, welche unter dem freyen Himmel stund, wenigstens 3 Imi Wasser war. Wenn man eine Bütte, ohne sie auszulehren unter dem freyen Himmel über das Regenwetter hätte stehen lassen, so wäre wenigstens ein Aymer Wasser darinnen geweßt. Leute[,] welche ihr Geschirr nicht zudekten[,] machten einen sehr geringen Wein. Der Wein hatte einen sehr geringen Preis, denn es konnten wegen großem Wasser keine Kaufleute kommen.
Einige verkauften ihren Wein gar in Oberderdingen zu 11 fl. 24 Kr., 12 fl. in Unterderdingen von 16 bis 19 fl.
Ich machte in meinem Greisle 17 Bütten voll und verkaufte Wein 2 Aymer, 1 Imi den Aymer zu 18 fl. Ich löste also in diesem Herbst 37 fl. Die meisten Leute mußten ihren Wein heim tun. Daß Lesen mußte man wegen großem Regenwetter einstellen[,] es wurde auch verbotten zu lesen.
Das Gewässer wurde so groß[,] daß es nicht nur bey Mannsdenken[,] sondern auch in 100 Jahren nicht so groß gewesen ist. An Enz und Neckar hat es alle Brüken [Brücken] weggerissen, bis auf die Enzweihinger und Heilbronner. Es hat so viel Schaden gethan[,] daß es nicht zu beschreiben ist.
Es hatte Häuser und Scheuren weggerissen, viele Leute sind um das Leben gekommen,
vieles Vieh in den Ställen ersoffen, Stannen mitsamt dem Wein fortgenommen.
Viele Leute mußten sich bis in den obersten Gipfel des Hauses reteriren, alle Rieben- und Erdbierenlöcher auf dem Felde wurden voll Wasser, daß man sie ausleeren mußte und die meisten davon konnte man nicht mehr brauchen. Viele Erdbieren in den Kellern konnte man nicht mehr brauchen, dann die[,] welche nur ein wenig in das Wasser, daß man sie ausleeren mußte, und die meisten davon konnte man nicht mehr brauchen[,] denn die[,] welche nur ein wenig in das Wasser gekommen waren fingen an zu faulen, daß man sie wegwerfen mußte[,] der Schaden, welchen es in unserem Thal that, war, daß es vielen Hanf fort nahm. Der Dinkel und alle Früchte fingen an aufzuschlagen. Der Dinkel galt nach Martini 3 fl. 30 kr., Haber 2 fl. 6 kr. Gersten 4 fl.“
Anmerkungen: Der Text wurde hierfür aus der Originalquelle, der Schäferschen Chronik, transkribiert. Diese wurde spätestens 1822 begonnen und ca. ab Mitte der 1850er Jahre vom Sohn Christian Friedrich Schäfers weitergeführt (vgl. Breitinger, Erwin 1975, Schäfersche Chronik, S. 127). 1881 brachen die Einträge seines Sohnes ab, die Chronik endete. Informationen über das Wetter festzuhalten, war für Christian Friedrich Schäfer als Bauer von Vorteil. Denn die Qualität und Quantität der Ernte und damit zahlreiche nicht nur wirtschaftliche Existenzen, hingen stark vom Wettergeschehen und dem Wissen darüber ab. Schäfer sicherte diese Kenntnisse und Eindrücke für künftige Generationen.
Lediglich die Kürzungsstriche von z.B. „gekomen“ wurden als „gekommen“ aufgelöst; notwendige Punkte gesetzt und Kommata hinzugefügt.
Quelle: Stadtarchiv Oberderdingen, Schäfersche Chronik.
Legende:
Erdbieren = Kartoffeln.
Haber = Hafer.
fl. = [frz. „Florin“ / dt. „Gulden“].
Kr. = Kreuzer [60 Kreuzer = 1 Gulden].
Martini = 11. November.
Simonis und Juda = 28. Oktober.
Rieben = Rüben (z.B.: Bau-Rüben = Futterrüben).
reteriren = zurückziehen/enteilen.
1 „Imi“ = 18,37 Liter;
16 Imi (293,93 Liter) = 1 Eimer/“Aymer“. Nach dem Württembergischen Maß [Helleich].
transkribieren = in eine andere Schrift übertragen, besonders Wörter aus einer Sprache mit nicht lateinischer Schrift oder Buchstaben mit diakritischen Zeichen mit lautlich ungefähr entsprechenden Zeichen des lateinischen Alphabets wiedergeben.
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